Anmerkungen zu Lemmy
Zurzeit wechseln viele Leute von Reddit zu Lemmy. Auslöser war eine umstrittene Entscheidung des Reddit-Betreibers. Glücklicherweise sind wir auf BigTech nicht mehr angewiesen und können im Fediverse unsere eigenen selbstverwalteten Social-Media-Plattformen einrichten.Zusammenfassung
- Nutzer:innen weltweit wechseln von Reddit zu Lemmy
- Lemmy ist eine Fediverse-Anwendung wie Mastodon
- Anders als bei Mastodon folgt man keinen Einzel-Accounts, sondern Diskussionsforen, Communities genannt.
- Wer einen Lemmy-Server betreibt, kann der Öffentlichkeit einen Raum für Diskussionen bieten.
Was ist Lemmy?
Lemmy ist ein Forum und Link-Aggregator. Registrierte Benutzer können Links posten und kommentieren oder Artikel schreiben und diese diskutieren. Die geposteten Links und Artikel sowie die Kommentare können von den Benutzern auf- bzw. abgewertet werden.
Lemmy kann also eine Diskussionsplattform für beliebige Themen sein, ein Hilfeforum oder eine Linkschleuder. Der Clou ist nun, dass man nicht nur die Foren abonnieren kann, die sich auf dem Server befinden, bei dem man angemeldet ist. Lemmy ist eine Fediverse-Anwendung. Die einzelnen Lemmy-Server sind über das ActivityPub-Protokoll miteinander verbunden. Das gemeinsame Protokoll gewährleistet die Interoperabilität zwischen den einzelnen Lemmy-Servern und sogar zwischen den verschiedenen Fediverse-Anwendungen. Man kann so auch Foren auf anderen Servern abonnieren, man kann aber auch einen Forumspost in Lemmy von seinem Mastodon-Account aus kommentieren.
Lemmy ist anders als Mastodon
Die große Popularität von Mastodon lässt viele Anwenderinnen und Anwender glauben, Mastodon sei die einzige Fediverse-Anwendung. Das ist nicht der Fall. Das Fediverse ist größer und vielfältiger als Mastodon.
Obwohl Lemmy und Mastodon das ActivityPub-Protokoll unterstützen und miteinander kommunizieren können, hält mit Lemmy ein neues Konzept Einzug in das Fediverse. Bei Lemmy folgt man nicht Einzelpersonen wie bei Mastodon und anderen Microblogging-Anwendungen. Man abonniert Foren, in Lemmy als Communities bezeichnet.
Jeder kennt Diskussionsforen. Viele Communities haben früher eigene Foren für ihre Mitglieder betrieben. Wenn man in mehreren Foren mitdiskutieren wollte, musste man auf den einzelnen Forums-Server sich jeweils einen Account machen. Im Browser rief man dann das jeweils gewünschte Forum auf, meldete sich an und konnte mitdiskutieren. Bei Lemmy genügt ein Account auf einem beliebigen Lemmy-Server, um prinzipiell in allen Foren auf allen Lemmy-Servern mitzudiskutieren.
Es kann zig Communities zu ein und demselben Thema geben
Man kann auf vielen Lemmy-Server eine Linux-Community einrichten. Das bringt uns in Verlegenheit. Welche Community soll man abonnieren? Die größte Community auf dem größten Lemmy-Server oder eine andere?
Die Möglichkeiten der Föderation könnten dazu führen, dass sich entweder alle Benutzerinnen und Benutzer auf einem Server knubbeln oder dass die Linux-Gemeinschaft, um bei unserem Beispiel zu bleiben, in viele kleine Communities zerrissen wird.
Natürlich ist es technisch kein Problem mehrere Linux-Communities zu abonnieren: beispielsweise eine englischsprachige und eine deutschsprachige Community. Wenn es aber mehrere Linux-Communities in deutscher und englischer Sprache gibt, wird die Auswahl schwieriger.
Die Renaissance der Special-Interest-Foren
Ich war in den frühen Tagen des Internets in verschiedenen Foren aktiv, die damals meist von Einzelpersonen betrieben wurden. Die Themenschwerpunkte waren sehr unterschiedlich. In jedem dieser Foren waren Personen aktiv, die zu dem Thema etwas Kompetentes zu sagen hatten.
Mit Lemmy werden solche dezentralen Strukturen wiederbelebt. Es könnten also in der Zukunft Lemmy-Server ans Netz gehen, die sich einem speziellen Themenbereich widmen. Die Betreiber dieser Server können Einzelpersonen, informelle Gruppen oder Organisationen sein. So könnte beispielsweise der Python Software Verband einen Lemmy-Server für deutschsprachige Python-Programmierer einrichten. Die Python Software Foundation wiederum könnte einen Lemmy-Server für Python-Programmierer in englischer Sprache einrichten. Die Stadtverwaltung von Musterstadt könnte einen Lemmy-Server für Musterstädter Anliegen betreiben.
Der Vorteil von Special-Interest-Lemmy-Servern liegt auf der Hand. Die Betreiber verstehen etwas von den Inhalten der einzelnen Communities, die Moderation fällt leichter. Große Lemmy-Server, auf denen es Communities zu allen möglichen Themenbereichen gibt, wird es sicher auch geben. Aber die Struktur des Fediverse drängt die Betreiber nicht dazu, ›den Markt zu beherrschen‹, ganz im Gegenteil, aufgrund der Kosten, die gedeckt werden müssen, dürften die meisten Betreiber daran interessiert sein, für eine begrenzte Gruppe von Menschen da zu sein.
Die Frage, auf welchem Server ich meinen Account einrichte, ist unabhängig von der Frage, welche Communities ich abonnieren möchte, denn ich habe die freie Auswahl.
Organisationen aufgepasst!
Organisationen sollten die Chance nutzen, die ihnen das Fediverse bietet, und den Betrieb eines Lemmy-Servers in Erwägung ziehen. Lemmy eignet sich als Hilfeforum oder als thread-orientiertes Diskussionsforum für die Stakeholder der Organisation. Die Kompetenz der Organisation für das jeweilige Themenfeld schafft Vertrauen. Ich kann als interessierter Nutzer kompetent moderierte Foren (Communities) erwarten. Mit Hilfe von Lemmy können Organisationen der interessierten Öffentlichkeit einen offenen Raum für den Gedankenaustausch bieten. Was will man mehr?